Das Klinikum Friedrichshafen reagiert auf die im Dezember öffentlich gewordenen Missstände auf der Intensivstation. Dieser zentrale Bereich eines jeden Akutkrankenhauses wird strukturell und organisatorisch neu aufgestellt, teilt das Klinikum am Freitag mit. Das Klinikum Friedrichshafen gehört zum Verbund Medizin Campus Bodensee.

Klinikum zieht Konsequenzen

Damit werden noch während der laufenden Compliance-Untersuchung durch eine externe Kanzlei Konsequenzen aus den massiven Vorwürfen einer Oberärztin gezogen, die offenbar über Monate kein Gehör bei der Klinikleitung fand. Nachdem gegen sie ein Verfahren zur fristlosen Kündigung eingeleitet worden war, beging die Ärztin Anfang Dezember 2023 Suizid.

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Die Leitende Oberärztin hatte nach SÜDKURIER-Recherchen bereits seit Dezember 2021 immer wieder Missstände auf der internistischen Intensivstation angeprangert. Das Patientenwohl könnte durch den Einsatz ungeeigneter Assistenzärzte und übermäßig belastender Dienstpläne gefährdet sei, reklamierte sie. In einer Mail an ihren Chefarzt hieß es: „Nach 4 Wochen Einarbeitungszeit sind die Kollegen völlig hilflos in ihren Solo-Schichten und sie, sowie die Patienten, überleben nur mit Dauerpräsenz erfahrener Kollegen.“ Im März 2022 soll der schlimmste Fall eingetreten sein: Ein Assistenzarzt soll auf der Intensivstation den Tod eines Patienten fahrlässig herbeigeführt haben. Die Vorwürfe hat das Klinikum zurückgewiesen.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Ärzte

Seit Februar ermittelt die Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen fünf Ärzte des Klinikums Friedrichshafen, die seither freigestellt sind. Im Zentrum steht Abrechnungsbetrug und der Verdacht ärztlicher Fehlbehandlungen. Untersucht werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft Tatbestände der Körperverletzung, unterlassenen Hilfeleistung und der fahrlässigen Tötung. Bis zum Abschluss des Verfahrens, das bei der Kriminalpolizei von der Ermittlungsgruppe Cura geführt wird, gilt die Unschuldsvermutung.

Nicht zuletzt wegen dieser öffentlich gewordenen Kritik, aber auch wegen des Notstands beim Pflegepersonal, habe man sich im Klinikum konstruktiv Gedanken über Veränderungen gemacht, teilt das Krankenhaus mit. Ärzte, Intensivpflegekräfte und Geschäftsführung hätten in den vergangenen Wochen daran gearbeitet. Im Ergebnis werden die beiden Intensivstationen zusammengelegt.

Bisher hatten sowohl die internistischen als auch operative Intensivstation jeweils eine eigene ärztliche Leitung. Nun geht eine interdisziplinäre Station an den Start, die von Anästhesisten geleitet wird. Die Verantwortung übernehmen die Oberärzte Matthias Vogel und sein Stellvertreter Sevak Taslakian, zusammen mit Martin Abberger und Ilka Stöbel im pflegerischen Bereich. Matthias Vogel war bisher Leiter der operativen Intensivstation.

Bei einer Kick-off-Veranstaltung gab es den offiziellen Startschuss für die neue interdisziplinäre Intensivstation des Klinikums ...
Bei einer Kick-off-Veranstaltung gab es den offiziellen Startschuss für die neue interdisziplinäre Intensivstation des Klinikums Friedrichshafen, die von der Anästhesie geleitet wird. | Bild: Medizin Campus Bodensee

Diese Neuordnung werde von allen Fachrichtungen im Klinikum Friedrichshafen unterstützt, heißt es weiter in der Mitteilung. Ausdruck dessen ist eine neue Geschäftsordnung für die Intensivstation, die von allen Chefärzten unterschrieben wurde. Die soll nicht nur für eine bessere Belegungsplanung sorgen. Ziel sei auch, Überstunden zu vermeiden und das Personal besser zu entwickeln, schreibt das Krankenhaus.

Betrieb wird neu geregelt

Das Krankenhaus regelt also den Betrieb der Intensivstation von Grund auf neu. Ziel sei es, diesen hochsensiblen und kostenintensiven Bereich des Krankenhauses besser steuern zu können, „vor allem im Sinne der sicheren Patientenversorgung“, heißt es weiter.

„In einem Krankenhaus unserer Größenordnung ist eine interdisziplinäre Intensivstation üblich“, stellt Chefarzt Volker Wenzel laut Mitteilung fest. Er leitet die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie. Auch für den Medizinischen Direktor des Klinikums, Roman Huber, ist die Neuorganisation „die beste Voraussetzung zum interdisziplinären Austausch und somit zur kontinuierlichen Personalentwicklung“.

Welche Probleme es vorher auf beiden Intensivstationen gab, ist auch Gegenstand der Compliance-Untersuchung, die der Aufsichtsrat des Klinikums im Dezember bei der Kanzlei Feigen Graf in Auftrag gegeben hat. In diesem Rahmen fanden auch sogenannte Aufklärungsgespräche mit vielen Mitarbeitern statt. Ursprünglich sollte der Abschlussbericht im Februar vorliegen. Inzwischen ist die Kanzlei beauftragt, die Ergebnisse rechtzeitig vorzulegen, damit die Untersuchung im Juli abgeschlossen werden kann.