Sönke Wittnebel saß an der Orgel, unten stand ein Brautpaar und das Instrument machte nur d-d-d-d-Geräusche. Sonst nichts. „Mir standen die Schweißperlen auf der Stirn“, erinnert sich der Kantor der Schlosskirche an den Tag, an dem endgültig klar wurde, dass die beinahe 50 Jahre alte Orgel ihre beste Zeit hinter sich hatte.

2016 stand die Entscheidung des Kirchengemeinderats fest, dass die Orgel mechanisch erneuert, klanglich veredelt und digitalisiert werden sollte. Die dafür veranschlagten 250.000 Euro waren durch Spenden schnell sichergestellt. Nach der Ausschreibung fiel die Wahl auf die Werkstatt von Thomas Gaida. „Seine Orgeln hatten das Klangbild, das wir uns vorgestellt haben“, sagt Kirchengemeinderat Walter Eyrich.

Die Orgel aus dem Jahr 1970 auf der Westempore wurde restauriert und klanglich veredelt. Im Februar war noch Folie vor den neu ...
Die Orgel aus dem Jahr 1970 auf der Westempore wurde restauriert und klanglich veredelt. Im Februar war noch Folie vor den neu hinzugefügten Pfeifen im unteren Teil der Orgel. Hier wurden später sogenannte Pfaffengitter zum Dämpfen eingesetzt. | Bild: Anette Bengelsdorf

Der Orgelklang der 70er-Jahre repräsentierte den damals herrschenden Zeitgeist mit seinen kalten, kantigen Betonkirchen. Das sollte sich in der Schlosskirche grundlegend ändern. „So wie die Sonne den barocken Kirchenbau mit Licht flutet, so sollte ihn die Orgel mit Klang füllen und die Gemeinde spirituell berühren“, sagt Wittnebel. Und der Orgelbauer lieferte dazu eine visionäre Idee. Er wollte das gesamte Kirchenschiff als Klangraum erschließen und in die Emporen und Nischen drei weitere Teilwerke bauen. Die Kosten verdoppelten sich; doch der Kirchengemeinderat stimmte zu.

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„Die Menge der Spenden war überwältigend“, sagt Wittnebel. Über Pfeifen- und Registerpatenschaften kamen etwa 70.000 Euro zusammen. Darüber hinaus habe es neben vielen Einzelspenden auch Einnahmen aus Kollekten und Benefizkonzerten gegeben. In Kooperation mit der Hofkammer wurden Orgelweine herausgebracht, aus den alten Pedalen des Spieltischs in der Diakonie Pfingstweid kleine Holzkreuze geschnitzt. Der Freundeskreis für Kirchenmusik wickelte den Verkauf von 1500 CDs zugunsten der Kirchengemeinde ab und bedachte dieses zusätzlich mit einer großzügigen Zuwendung. Nicht zuletzt leistete die Stadt Feinen beachtlichen Beitrag.

„Wir schließen das Projekt jetzt in etwas abgespeckter Form ab“, sagt der Kantor. Da in den ersten beiden Corona-Jahren keine Benefizkonzerte möglich waren, fehlten jetzt noch die Mittel, um die letzten geplanten Register einzubauen. Er hofft, dass sich auch diese Erweiterung in ein paar Jahren realisieren lässt.

In der Nische an der Südwand wurden neue und historische Pfeifen in einen sogenannten Schwellschrank eingebaut. Durch bewegliche Lamellen, wie bei einer Jalousie, lässt sich vom Spieltisch aus die Lautstärke regeln. Ein weiteres Schwellwerk wurde auf der Empore aus historischen Pfeifen aus England gebaut. Dieses wird vom Kronwerk, den ehemals obersten Pfeifen vom Hauptwerk, gekrönt.

Mit der Jalousie des Schwellkastens, das Bild zeigt den Fortschritt der Arbeiten im Februar 2022, wird die Lautstärke vom Spieltisch aus ...
Mit der Jalousie des Schwellkastens, das Bild zeigt den Fortschritt der Arbeiten im Februar 2022, wird die Lautstärke vom Spieltisch aus gesteuert. | Bild: Anette Bengelsdorf

Ein Donnern erfüllt das Kirchenschiff. Wittnebel gibt eine Kostprobe des neu gebauten Tuba-Registers. Dann verbreiten die langen Pfeifen des Registers Flauto Mirabilis himmlische Querflöten-Klänge. Sie sitzen ganz oben auf der Orgel und produzieren eine Fülle von sphärischen Obertönen. Scharf bohren sich Schalmeien in den Gehörgang, unterlegt von einem dunklen Teppich aus Bass. Der Organist strahlt, während der neue Surround-Sound das Kirchenschiff fluten.

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Der Weg war weit: Stuck und bestehende Pfeifen mussten von Staub gereinigt werden, die Wand hinter der Orgel war sanierungsbedürftig, der Putz war bereits in das Instrument gefallen. Der Verlauf der Kabelkanäle wurde im Detail mit dem Denkmalamt abgestimmt, bevor sie am Boden verlegt werden durften. Es wurde gesägt, gezimmert, lackiert, gestimmt.

Der neue und jetzt große Spieltisch beim Altar kann für Konzerte verschoben werden.
Der neue und jetzt große Spieltisch beim Altar kann für Konzerte verschoben werden. | Bild: Anette Bengelsdorf

Jetzt erlaubt die elektrifizierte Traktur, die Verbindung zwischen den Tasten und den Pfeifenventilen, die Orgel und ihre Teilwerke mit einem mobilen Spieltisch, unten beim Altar, anzusteuern. „Das ist für Konzerte gigantisch“, freut sich Wittnebel, da er jetzt als Organist direkten Kontakt zu Sängern und Musikern hat. Der alte Spieltisch auf der Empore wurde entkernt, von der neuen Technik nur so viel eingebaut, wie das Platzangebot ermöglicht hat.

Die Digitalisierung der Orgel stößt weitere Türen auf. Nicht nur analoge Pfeifen können am Spieltisch mit Wind versorgt, das Kirchenmusikinstrument könnte sogar zur Hammondorgel und zum Synthesizer werden. Doch das ist Zukunftsmusik.