Sie sind eher selten geworden. Doch ab und zu gibt es auch noch gute Nachrichten über die medizinische Versorgung, die in vielen Bereich von einem Ärztemangel gekennzeichnet ist. Ein Beispiel ist die reibungslose Praxisübergabe von Frauenarzt Curt Fritze (64) an seine Nachfolgerin Sibel Özder (51). Vor gut 28 Jahren war Gynäkologe Fritze nach Überlingen gekommen und in die Praxis des Kollegen Prieshoff in der Klosterstraße eingestiegen. Fünf Jahre später war er in den Neubau des Ärztehauses am Schättlisberg umgezogen. Der Wechsel zu Nachfolgerin Özder ist bereits zum Jahreswechsel erfolgt, die feierliche Übergabe jetzt in größerer Runde von Kollegen und Mitarbeitern. Weiterhin wird auch Fritzes bisherige Kollegin Sarah Baur als angestellte Ärztin hier tätig sein.

Wechsel von Tuttlingen an den Bodensee

Frauenärztin Sibel Özder ist in Istanbul geboren und im Alter von vier Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. „So ist Deutschland meine Heimat geworden“, sagt sie. Özder studierte an der Universität Ulm und war zunächst als Assistenzärztin in Heidenheim tätig. Zuletzt war sie lange Jahre am Krankenhaus Tuttlingen als Oberärztin für Frauenheilkunde tätig gewesen. Dabei habe sie ihre besonderen medizinischen Interessen als Leiterin des Brustzentrums einbringen können. „Schon als ich die Praxis erstmals betreten habe“, erinnert sich Sibel Özder, „habe ich gleich gedacht: Eine bessere Praxis kann ich mir nicht vorstellen.“ Sie danke Fritze, dass er ihr seine Patientinnen anvertraut habe und nannte es eine „große Aufgabe, diese weiterhin würdevoll und professionell weiter zu begleiten“.

Für Curt Fritze war die erste Begegnung erst der Anstoß, an den eigenen Rückzug zu denken, wie er offen einräumt. Umso zufriedener ist er jetzt, mit seiner Nachfolgerin die Kontinuität aufrechterhalten zu können. Als er vor gut 20 Jahren an den Schättlisberg umgezogen sei, hätten Patientinnen entsetzt gefragt: „Was – Sie gehen von der Stadt da oben in die Pampa?“

Noch im Rohbau sei die Praxis im Jahr 2001 eröffnet worden. Doch längst hat sich die vermeintliche Pampa zu einem bewährten medizinischen Zentrum entwickelt.

Eine feste Adresse am Schättlisberg: Mehr als ein halbes Dutzend Praxen befinden sich in dem 23 Jahre alten Ärztehaus, das sich heute ...
Eine feste Adresse am Schättlisberg: Mehr als ein halbes Dutzend Praxen befinden sich in dem 23 Jahre alten Ärztehaus, das sich heute auch optisch noch sehen lassen kann. | Bild: Hanspeter Walter

Zukunft für die Geburtenstation

Ein zweites Standbein sei von Anfang an das benachbarte Krankenhaus gewesen, wo er als Belegarzt und Geburtshelfer tätig gewesen sei, sagte Fritze. Dort sei er im Verlauf der Jahre für die Geburt von mehr als 5000 junge Überlingerinnen und Überlingern verantwortlich gewesen. Umso mehr hoffe er, dass das Helios Spital auch künftig seine Geburtsstation aufrechterhalten könne. Dafür habe er sich schon beim Umbau und Betreiberwechsel in den Gremien eingesetzt. Fritze: „Mit dem Argument, dass es auch künftig gebürtige Überlinger geben müsse, habe man Helios zu dem Versprechen genötigt, dass die Geburtshilfe Bestand haben müsse.“ Dieses Versprechen gelte nach wie vor.

Die Stadt freue sich, dass Sibel Özder sich für Überlingen entschieden habe, sagte Wirtschaftsförderer Stefan Schneider. Sie leiste einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer guten medizinischen Versorgung, die heute in einer Kommune eine ganz entscheidende Rolle spiele. Schneider: „Wenn Sie Probleme haben, dann rufen Sie einfach an.“

Eigene Praxis bedarf heute Mut

Sich heutzutage niederzulassen, sei nicht ganz einfach, erklärte Matthias Szabo von der Kassenärztlichen Vereinigung. Umso mehr müsse der Mut von Sibel Özder eingeschätzt werden, ihre Stelle als Oberärztin am Krankenhaus aufzugeben und in eine eigene Praxis einzusteigen. „Doch besser hätte man die Übernahme nicht vorbereiten können“, sagte Szabo. Er sei sich sicher, sagte Szabo, dass „das hohe medizinische und menschliche Niveau“ gleichermaßen erhalten bleiben. „Vielen Dank für deinen Mut!“ Er wisse auch, was Curt Fritze in Überlingen für seine Patientinnen und die Stadt geleistet habe, erklärte Szabo und sagte: „Es tut uns leid, dass Sie gehen.“

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Ärztehaus soll so erhalten bleiben

Auch Vermieter Claus Zimmermann zollte der Praxisübergabe Respekt. Er sei sehr glücklich, „wenn das Ärztehaus in die nächste Generation übergeht und weiter Bestand hat“. Ja, besonders froh sei er auch, diese Anmerkung wollte sich Zimmermann nicht verkneifen, dass die Einrichtung ein „Kulminationspunkt von Fachärztinnen und Fachärzten“ bleibe, und nicht ersetzt werde durch ein „anonym geführtes MVZ“. Gemeint ist ein Medizinisches Versorgungszentrum, eine 2004 eingeführte Einrichtung zur ambulanten medizinischen Versorgung. Er selbst werde alles tun, sagte Zimmermann, „um das Gebäude und die Infrastruktur so zu erhalten, dass sich alle Ärztinnen und Ärzte im Haus wohlfühlen.“