Politisch gedacht habe sie schon immer, sagt Micaëla van Bracht. Doch erst in der Pandemie entschloss sie sich, in eine Partei einzutreten. „Ich ärgere mich, dass ich nicht früher in die Politik eingestiegen bin, ich hätte es auf Landesebene vielleicht noch zu etwas bringen können.“ Sie engagiert sich auf Landesebene in der Frauenunion, und kandidert nun bei den Gemeinderatswahlen.

„Überlingen ist einer der schönsten Plätze der Welt“

Ihre Schwiegereltern leben seit 1993 in Überlingen, so lernte sie die Stadt kennen. Sie kauften sich 2012 selbst eine Immobilie in der Stadt, ganz bewusst schon vor dem eigenen Ruhestand, „bevor die ganzen Babyboomer zuschlagen“. 2018 wurde ihr Mann pensioniert, seitdem leben die van Brachts dauerhaft hier, und sie wollen bleiben. „Überlingen ist einer der schönsten Plätze der Welt. Es ist so! Aber dann kostet der Aperol Spritz manchmal halt etwas mehr.“

Eine Frage an Micaëla van Bracht Video: Hilser, Stefan

Das sieht sie als ihre Stärke

1963 kam sie in Bottrop im Ruhrgebiet auf die Welt. Ihr Vater legte auf dem Standesamt das Libretto aus der Oper Carmen als Beweis dafür vor, dass es den Namen Micaëla mit zwei Pünktchen auf dem „e“ tatsächlich gibt. Auf die Pünktchen beharrt Micaëla van Bracht nicht, weil es dieses „ë“ auf der Tastatur nicht gibt. Aber sie ist stolz darauf, nach einer starken Frau aus der Oper benannt worden zu sein.

Van Bracht hat Pharmazie studiert und bei der Bayer AG in der Marketing-Abteilung gearbeitet, davon drei Jahre in Ecuador. Später wurde sie Einkaufsleiterin bei Bayer und war Vorgesetzte von 30 Mitarbeitern, zum Ende ihrer Berufslaufzeit wechselte sie ins Compliance-Management und übersetzte komplizierte juristische Vorgaben in verständliches Deutsch. „Meine Stärke ist Prozessdenken. Wenn vorne eine Schraube reingedreht wird, frage ich, was hinten passiert.“ Das lasse sich auch auf die Politik übertragen, werde aber oft nicht beachtet.

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Schräge Blicke statt Unterstützung

Ihre Tochter kam vor 24 Jahren auf die Welt, als sie drei Jahre war, arbeitete Micaëla van Bracht wieder Vollzeit. „Das hat mich geprägt.“ Unterstützung gab es nicht, eher schräge Blicke. Viel weiter gekommen seien die Frauen in der Gleichstellung bis heute nicht, was sich auch an der geringen Frauenquote in der Politik zeige. Es genüge nicht, wenn die Männer großzügig behaupteten, „Frauenthemen wie Kinderbetreuungszeiten“ zu berücksichtigen. „Das weibliche Denken ist so wertvoll für einen Gemeinderat. Wir müssen zur Bewältigung des Alltags dauernd pragmatische Lösungen finden.“