Es ist eine Besonderheit in Orsingen-Nenzingen: Während es in anderen Gemeinden meistens mehrere Kandidatenlisten für die kommende Kommunalwahl gibt, ist es hier nur eine Gemeinschaftsliste. Die 20 Kandidaten für die Gemeinderatswahl luden nun unlängst zu einem Frühschoppen und offenen Austausch ins Clubhaus des SV Orsingen-Nenzingen ein. Viele Bürger warteten schon vor dem offiziellen Start auf Einlass.

Die Gemeinderats-Anwärter hatten sich bewusst gegen eine Frontalveranstaltung mit ausführlicher Vorstellung entschieden und stattdessen Steckbriefe ausgehängt. In persönlichen Gesprächen kamen dann ganz unterschiedliche Themen auf. Dabei wurden die neun aktuellen Gemeinderäte ebenso befragt wie die elf Männer und Frauen, die erstmals in das Gremium wollen.

Umstellung von Verhältnis- zur Mehrheitswahl

Zur Begrüßung stellte Antonie Schäuble, stellvertretende Bürgermeisterin, kurz alle Kandidaten namentlich vor. Außerdem erklärte sie das Wahlsystem. Weil erstmals alle Bewerber auf einer gemeinsamen Liste kandidieren, wird bei der Kommunalwahl am 9. Juni in der Doppelgemeinde das Wahlrecht von der Verhältnis- zur Mehrheitswahl umgestellt. Statt wie bisher bis zu drei Stimmen für einen Kandidaten darf jeder Wähler dann nur eine Stimme für eine Person vergeben. „Diese Information streuen wir möglichst breit, denn wir wollen möglichst viele gültige Stimmen, damit die Zettel, die da sind, auch zählen“, erklärte sie dazu.

Das Wahlergebnis werde durch diese Regelung deutlich knapper ausfallen als gewohnt. Diese Annahme könnte zu einem Konkurrenzkampf untereinander führen. Zu spüren war davon aber nichts, die Stimmung war gelöst, alle Kandidaten traten gleichberechtigt auf.

Viele Fragen an die Kandidaten

Einige zufällig befragte aktuelle Gemeinderäte erzählten von ihren Eindrücken. Stefan Stemmer sagte, nach einigen gemeinsamen Versammlungen kämen die Kandidaten hier auch mal ausführlicher dazu, miteinander zu reden. Er wurde von Besuchern unter anderem zu den Friedhöfen befragt und betonte, es sei wichtig, wieder so viele amtierende Gemeinderäte wie möglich im Gremium zu haben, weil sonst viel Wissen verloren gehe. „Aber es wird viel enger und ehrlicher werden ohne das Kumulieren.“

Das könnte Sie auch interessieren

Joachim Kiewel lobte das Interesse der Einwohner an der Kommunalwahl. Über den Standort der Veranstaltung sei er froh und glücklich. „Der SV Orsingen-Nenzingen ist einer der wenigen Vereine, der beide Ortsteile verbindet. Unsere Vereine könnten noch mehr gemeinsam tun.“ Er sei von Gästen zur kommunalen Wärmeentwicklung und Nahwärme angesprochen worden. „Viele Leute, die Häuser der 1970er- bis 1990er-Jahre haben, fragen, was sie mit ihrer Heizung machen sollen.“ Man müsse versuchen, sich im Verwaltungsraum Stockach entsprechend aufzustellen, aber das gehe nicht von heute auf morgen.

Ralph J. Schiel wurde zur Kanalisation befragt, aber auch nach einem Ort für Jugendliche. Bei Marius Zeiher ging es um Bauplätze und Wohnbaugebiete. Christine Leithe informierte über den neuen Schadensmelder auf der Gemeinde-Homepage und stellte älteren Mitbürgern die neuen Kandidaten vor, um sie ins Gespräch zu bringen.

In lockerer Atmosphäre kamen die Gäste im Clubheim des SV Orsingen-Nenzingen mit den Kandidaten ins Gespräch.
In lockerer Atmosphäre kamen die Gäste im Clubheim des SV Orsingen-Nenzingen mit den Kandidaten ins Gespräch. | Bild: Ralph J. Schiel

Neue Kandidaten müssen viel beantworten

Und wie erging es den Neuen? Renate Mayer freute sich über die hohe Frauenquote unter den Kandidaten. Manuel Seliger berichtete, er sei eher allgemein gefragt worden, was er wie im Ort bewegen wolle. Ähnlich war es bei Sarah Kiewel, die sich für einen offenen Umgang untereinander aussprach. Mit Markus Zimmermann wurde über Glasfaser und das Internet diskutiert.

Von Beate Reiser wollte jemand wissen, was passiere, wenn zwei Kandidaten exakt die gleiche Stimmenanzahl erhalten. „Das weiß gerade keiner“, gab sie lachend zu. Ihr gefiel die lockere, unkomplizierte Stimmung. „Es ist toll, dass der SV uns seine Räume zur Verfügung stellt. Wir werden auch zur Wahlparty am Montag nach der Wahl mit unseren Partnern hier zusammensitzen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Tempokontrollen und Neubaugebiete gehören zu den Themen

Michael Bold liegen nach eigener Aussage die Vereine am Herzen. Er wolle der Gemeinde etwas zurückgeben. Ein konkreter Wunsch kam zu ihm: „Man solle die Geschwindigkeitsmessungen mehr vorantreiben. Das ist gerade in Nenzingen ein Thema.“

Markus Bernhard lebt seit 29 Jahren in der Gemeinde und möchte sie jetzt auch politisch mitgestalten. Auch Sven Görcke, der bisher in sozialen Medien für das Gemeindeleben aktiv war, möchte künftig aktiv mitwirken. Er sagte: „Wenn man sich wohlfühlen will, muss die Gemeinde auch attraktiv sein.“ Mit ihm sprachen die Gäste über Neubaugebiete, E-Mobilität bis hin zum Rückstau in der Kanalisation.

Hier kommt der Gemeinderat von Orsingen-Nenzingen meistens zusammen: im Sitzungsaal des Rathauses in Nenzingen. Gelegentlich wird auch ...
Hier kommt der Gemeinderat von Orsingen-Nenzingen meistens zusammen: im Sitzungsaal des Rathauses in Nenzingen. Gelegentlich wird auch in Orsingen getagt. | Bild: Claudia Ladwig

„Die Motivation ist hoch“

Im Scherz sei er gefragt worden, ob er das politische Erbe seines Vaters Roland antreten wolle, erzählte Marco Riegger, der aus einigen Vereinen bekannt ist. Er wolle die Gemeinde für Neu- und Bestandsbürger interessant gestalten, eine gute Infrastruktur für die ältere Bevölkerung schaffen und das Miteinander der Vereine fördern. Für den Gemeinderat wünschte er sich eine Mischung aus verschiedenen Branchen, um möglichst viel Wissen zu vereinen.

Michael Schönberger, der sich ebenfalls in mehreren Vereinen engagiert, nannte die Themen, die alle Kandidaten interessieren: Infrastruktur, Grundversorgung, nachhaltige Entwicklung der Gemeinde und Optimierung von Wohnraum. Auch Matthias Dietl sah viele Gemeinsamkeiten: „Es passt alles gut zusammen. Wir hatten in der Vorbereitung immer was zu lachen. Die Aufgaben wurden gut verteilt, die Motivation ist hoch.“

Diese Veranstaltung war in Orsingen-Nenzingen der einzige Wahlkampf-Termin. Eine Woche vor der Kommunalwahl werden die Kandidaten aber noch Erinnerungs-Flyer an alle Haushalte verteilen.