Pro: Die Begegnung mit Tieren ist ein emotionales Erlebnis, sagt Thomas Kölpin, Direktor des zoologisch-botanischen Gartens Wilhelma in Stuttgart.

Thomas Kölpin ist Biologe und seit 2014 Direktor der Stuttgarter Wilhelma. Zuvor war er in gleicher Funktion am Thüringer Zoopark Erfurt ...
Thomas Kölpin ist Biologe und seit 2014 Direktor der Stuttgarter Wilhelma. Zuvor war er in gleicher Funktion am Thüringer Zoopark Erfurt tätig. | Bild: artismedia GmbH / Olaf Kühl

Die Zeiten, in denen Zoos nur dazu dienten, exotische Tiere zu bewundern, sind lange vorbei. Heute positionieren sich moderne zoologische Einrichtungen – und ganz besonders die Wilhelma als Zoologisch-Botanischer Garten – als Artenschutzzentren. Jeden Tag geraten einst häufige Tier- und Pflanzenarten in Bedrängnis: Natürliche Lebensräume verschwinden oder werden vom Menschen überformt. Zahlreiche Arten werden gezielt verfolgt und in die Ausrottung getrieben.

Wir unterstützen angesichts dieser Biodiversitätskrise den ganzheitlichen One Plan Approach der Weltnaturschutzorganisation IUCN: Zum einen engagieren wir uns für den Lebensraumschutz in den Herkunftsländern bedrohter Arten (In-Situ-Artenschutz).

Dabei helfen uns der von unseren Besucherinnen und Besuchern gezahlte Artenschutzeuro, Spenden von Privatleuten und Firmen, aber auch das Engagement unseres Fördervereins. 2023 konnten wir dadurch erstmal mehr als eine Million Euro in rund 40 Artenschutzprojekte in aller Welt investieren.

Zum anderen ist es unser Ziel, von möglichst vielen Arten genetisch vielfältige und miteinander vernetzte Populationen in menschlicher Obhut aufzubauen. Dafür sorgen unter anderem die Zuchtbuchführer der Ex-Situ-Zuchtprogramme des Europäischen Zooverbandes EAZA.

Sollte eine Art in ihrem natürlichen Lebensraum ganz oder teilweise aussterben, kann sie mithilfe dieser Reservepopulation wieder angesiedelt werden, falls es die Lebensraumbedingungen in Zukunft wieder zulassen. Um dieses Ziel zu erfüllen, reicht es nicht, nur Arten zu halten, die bereits bedroht sind. Oft ist nicht absehbar, wie schnell der Freilandbestand einer Art zusammenbrechen kann.

Gorillas sind vom Aussterben bedroht. Können zoologische Gärten helfen, die Art zu retten?
Gorillas sind vom Aussterben bedroht. Können zoologische Gärten helfen, die Art zu retten? | Bild: Frank Rumpenhorst

Nicht zuletzt haben zoologische Gärten die Aufgabe, ihren Besuchern die Möglichkeit einer sinnvollen, lehrreichen, aber auch unterhaltsamen Freizeitgestaltung zu bieten. Hierauf aufbauend setzen wir den Fokus auf Umweltbildung und der Schaffung eines Bewusstseins für die Schutzwürdigkeit der globalen Artenvielfalt. Schließlich sind auch Unwissenheit und Gleichgültigkeit die Ursachen für den schleichenden und auf den ersten Blick oft nicht spürbaren Rückgang vieler Arten.

Die Begegnung mit lebenden Tieren im Zoo ist für viele ein emotionales Erlebnis, welches den Wunsch weckt, mehr über diese Arten, ihr Verhalten und ihre Lebensräume zu erfahren. Zooschulen, wie bei uns die Wilhelmaschule, bieten dafür gezielte Programme und Aktionstage für Kinder und Jugendliche an.

Eine oft erst auf den zweiten Blick erkennbare, aber nicht minder wichtige Funktion von Zoos ist die Unterstützung von Wissenschaft und Forschung. In Zoos können mit vergleichsweise wenig Aufwand über Jahre hinweg wissenschaftlich relevante Daten erfasst und dokumentiert werden.

Zudem haben Forschende im Zoo die Chance, für das Freiland vorgesehene Methoden unter kontrollierten Bedingungen zu testen und zu evaluieren. Auch auf tiermedizinischer Ebene bietet sich in Zoos die Möglichkeit, Erkenntnisse über Anatomie, Physiologie und Krankheitsbildern bei Wildtieren zu verbessern – was auch der professionellen Behandlung von erkrankten oder verletzten Tieren in In-Situ-Projekten zugutekommt.

Contra: Tiere leiden unter Enge, Monotonie und Zwang, sagt Yvonne Würz von PETA Deutschland.

Yvonne Würz ist Biologin und seit 2017 Fachreferentin für Tiere in Zoo und Zirkus bei Peta Deutschland. In ihrer Dissertation erforschte ...
Yvonne Würz ist Biologin und seit 2017 Fachreferentin für Tiere in Zoo und Zirkus bei Peta Deutschland. In ihrer Dissertation erforschte sie die Persönlichkeit von Tieren. | Bild: PETA Deutschland

Zoos sind aus der Zeit gefallen. Immer mehr Menschen sehen das enorme Tierleid hinter der vermeintlichen Freizeitattraktion und entscheiden sich bewusst dagegen. Denn im Wesentlichen sind zoologische Einrichtungen Gefängnisse für Tiere, die dort meist lebenslänglich eingesperrt und zur Schau gestellt werden. Ganz gleich, ob es sich um Zoos, Tierparks, Aquarien oder Reptilienhäuser handelt – die Tiere leiden.

In Gefangenschaft können sie ihre artspezifischen Bedürfnisse nicht ausleben. Ihre Existenz ist geprägt von Enge, Monotonie und Zwang. Zoo-Angestellte entscheiden, wann die Tiere Zeit in den Außengehegen verbringen, ob sie mit Sozialpartnern vergesellschaftet oder von Familienmitgliedern getrennt werden, wann und was sie essen. Selbst sterben tun sogenannte Zootiere oft nicht im hohen Alter, sondern sie werden aus Platz- oder Kostengründen oder wenn sie nicht mehr als Publikumsmagneten funktionieren getötet.

Der Mangel an Platz, Autonomie und Kontrolle über das eigene Leben führt bei vielen Tieren zu körperlichen Erkrankungen und schweren Verhaltensstörungen. Diese äußern sich in stereotypen und mitunter selbstverletzenden Verhaltensweisen: Tiger laufen ständig im Kreis, Affen essen ihre Exkremente, Vögel rupfen sich das Gefieder kahl und Fische schwimmen an der Aquarienwand auf und ab. Teilweise verabreichen Zoos den Tieren Antidepressiva, damit das Publikum das enorme psychische Leid nicht sofort erkennt.

Obwohl in zoologischen Einrichtungen also überwiegend verhaltensgestörte Tiere ihr Dasein fristen, behaupten Zoos, dass sie zur Wissensvermittlung beitragen. Das natürliche Verhalten von Elefanten oder Seehunden ist aber nur an einem Ort zu beobachten: in ihrem echten Lebensraum. Die kommerzielle Zurschaustellung von Tieren verstärkt dagegen eine speziesistische Denkweise, also den Glauben, dass der Mensch anderen Arten überlegen sei und sie ausbeuten dürfe.

Ein Kind bestaunt zwei Beluga-Wale in einem Aquarium. Zoos nehmen für sich in Anspruch, jungen Besuchern Wissen über das Artensterben zu ...
Ein Kind bestaunt zwei Beluga-Wale in einem Aquarium. Zoos nehmen für sich in Anspruch, jungen Besuchern Wissen über das Artensterben zu vermitteln. | Bild: Joseph.Tello

Zoos gaukeln der Öffentlichkeit außerdem vor, sie würden etwas für den Artenschutz tun. Die meisten der in Zoos gehaltenen Arten sind aber weder vom Aussterben bedroht, noch werden sie auf eine mögliche Auswilderung vorbereitet. Zuchtprogramme dienen in erster Linie dem Erhalt der Zoopopulation und nicht dem Artenschutz. Anstatt sich auf die Zucht in Gefangenschaft zu konzentrieren, wäre es sinnvoll, Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten in ihren natürlichen Lebensräumen zu etablieren.

Es ist offenkundig, dass sich Zoos nicht mit dem aktuellen gesellschaftlichen Verständnis von Tierschutz und Tierrechten vereinbaren lassen. Peta fordert deshalb ein Nachzucht- und Importverbot von Tieren in zoologischen Einrichtungen, um die Haltungen mittelfristig auslaufen zu lassen. Wir sind in der Pflicht, die Interessen und Bedürfnisse der Tiere über unseren eigenen Wunsch nach Unterhaltung zu stellen. Das Ende von Zoos ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg in eine mitfühlendere und ethischere Welt. Wer darüber hinaus noch mehr Tierleid vermeiden möchte, lebt vegan.