Es waren einmal 14 Räume, die sich unter der Erde befinden. Ihre Dächer waren mit einer Wiese bedeckt. Auf der einen Seite ein Wald, auf der anderen Seite ein See. Nur wer genau hinsieht, kann hinter dem Erdhügel Räume vermuten. Zwei Röhren führen neben den „geheimen“ Räumen von Nord nach Süd. Nein, wir sind hier nicht im Auenland und dort wohnen auch keine Hobbits. Wir sind hier im Kreis Konstanz, genauer gesagt beim Tunnel Waldsiedlung.

Hier geht es runter zum Betriebsgebäude West. Elf Räume befinden sich dort.
Hier geht es runter zum Betriebsgebäude West. Elf Räume befinden sich dort. | Bild: Kerstin Steinert

Autofahrer kennen den Tunnel Waldsiedlung gut. Seit Juli 2022 rollt dort auf der Bundesstraße 33 der Verkehr zwischen Konstanz und Allensbach hindurch. Was aber viele nicht ahnen ist, wie groß der Tunnel mit seinen Nebengebäuden ist. „Das Betriebsgebäude hat eine Fläche von 500 Quadratmetern“, sagt Felix Quarch vom Straßenbauamt des Landratsamtes Konstanz. Die Behörde ist der Betreiber des Bauwerks, obwohl der Bauherr das Regierungspräsidium (RP) Freiburg ist.

Die 500 Quadratmeter sind aufgeteilt auf zwei unterirdische Gebäude. Im größeren, dem Betriebsgebäude West, befinden sich elf Räume, im Gebäude Ost sind es drei. Im Herzstück der Betriebsräume, dem Wartungs- und Bedienraum, sitzt Patric Pfaff an einem Schreibtisch.

Patric Pfaff, Tunnelwart bei der Straßenmeisterei Radolfzell, kommt mindestens einmal pro Woche in den Tunnel Waldsiedlung.
Patric Pfaff, Tunnelwart bei der Straßenmeisterei Radolfzell, kommt mindestens einmal pro Woche in den Tunnel Waldsiedlung. | Bild: Kerstin Steinert

Vor ihm stehen mehrere Bildschirme. Viele Kameras zeigen den Tunnel in wechselnden Ansichten. Auf einem anderen riesigen Monitor ist der Tunnel schematisch dargestellt. „Hier kann ich eigentlich alles steuern“, sagt Pfaff. Er ist Straßenbaumeister und Tunnelwart bei der Straßenmeisterei Radolfzell.

Viele Knöpfe zum schnellen Reagieren

Auf dem Bildschirm blinkt es rot auf. Eine Tür zwischen den beiden Röhren wurde geöffnet. „Wenn keine Wartungsarbeiten wären, würde sich jetzt automatisch die Geschwindigkeit reduzieren und eine Durchsage kommen“, sagt Pfaff. Denn wenn Gefahr im Verzug sei, was beim Öffnen einer Tür zwischen den Röhren angenommen werden würde, laufe ein bestimmtes Programm ab. Sei eines dieser Programme erstmal aktiviert, könne man es nur händisch wieder zurücksetzen. Das heißt: Ein Mitarbeiter der Straßenmeisterei muss kommen.

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Auch wenn im Tunnel vieles automatisch geregelt ist, kann der Mensch immer eingreifen. Dazu gibt es Sprechanlagen und viele Knöpfe auf einem Bedienbrett. Die Knöpfe sind beschriftet: Schranke sperren, reduzierte Geschwindigkeit, Normalbetrieb. „Wenn man den Schalter auf Handbetrieb umstellt, kann man mit einem Knopfdruck schnell reagieren“, sagt Pfaff.

Schneller Zugriff: Auf dem Bedienbrett im Wartungsraum kann mit einem Knopfdruck der Tunnel gesperrt oder die Geschwindigkeit reduziert ...
Schneller Zugriff: Auf dem Bedienbrett im Wartungsraum kann mit einem Knopfdruck der Tunnel gesperrt oder die Geschwindigkeit reduziert werden. | Bild: Kerstin Steinert

Am Pult mit der Sprechanlage sind auch vorprogrammierte Ansagen verschriftlicht: Falschfahrer, Stau, Unfall, Brand. „Wenn man einen der Knöpfe drückt, kommt automatisch eine Ansage in Deutsch, Englisch und Französisch. Das können die Autofahrer auch über ihre Radios hören“, sagt Pfaff. Deshalb sei es sinnvoll, dass Autofahrer im Tunnel ihr Radio einschalten. „Den Radioempfang gibt es nicht nur zum Vergnügen“, ergänzt Felix Quarch.

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Im Nebenraum zum Wartungs- und Bedienraum kann man ein Grundrauschen vernehmen. Dort befinden sich der Serverraum und die Brandmeldezentrale. Damit die Brandmeldezentrale immer funktioniert, auch wenn es einen Stromausfall gibt, gibt es einen anderen Raum mit 120 einzelnen Batterien.

Ein ebenfalls geschlossener Stromkreis, der im Notfall weiter Energie liefert, ist für die Beleuchtung eingerichtet. „Die Beleuchtung im Tunnel muss immer gewährleistet sein, sodass sich jeder im Ernstfall selbst retten kann“, sagt Quarch. Fluchttüren, SOS-Kabinen, Bodenbeleuchtung und Fluchtschilder seien immer beleuchtet.

In 160 Metern nach links und in 70 Metern nach rechts befinden sich die Ausgänge im Tunnel Waldsiedlung. Die Schilder für den Fluchtweg ...
In 160 Metern nach links und in 70 Metern nach rechts befinden sich die Ausgänge im Tunnel Waldsiedlung. Die Schilder für den Fluchtweg sind immer beleuchtet. | Bild: Kerstin Steinert

Ein doppelter Boden mit viel Technik

In den anderen neun Räumen stehen große weiße oder graue Schränke. Sonst nichts. Öffnet man einen der Schränke, befinden sich dahinter Schaltkreise, Bedienbretter mit vielen Knöpfen, Server oder Bildschirme. Alles Steuerelemente, die entweder zur Stromversorgung, der Beleuchtung, Belüftung, Temperatur, Überwachung, analogen und digitalen Funkanlagen dienen.

Räume wie diese gibt es im Betriebsgebäude West einige. Hinter den Schränken befinden sich Steuerelemente.
Räume wie diese gibt es im Betriebsgebäude West einige. Hinter den Schränken befinden sich Steuerelemente. | Bild: Kerstin Steinert,

Doch nicht nur in Betriebsräumen befindet sich viel Technik, sondern auch im Boden. Tunnelwart Pfaff erklärt: „Wir stehen hier überall auf der Technik.“ Er stampft mit dem Fuß im Wartungsraum. Es klingt hohl. Hebt man die Bodenplatten ab, zeigt sich der Grund: Der komplette Boden steht auf einem Metallgerüst. In etwa einem Meter Tiefe liegen dutzende Kabel. „Eigentlich ist hier alles unterkellert und die Technik verschwindet so, aber wir haben überall Zugriff darauf“, sagt Pfaff.

Felix Quarch vom Straßenbauamt des Landratsamtes Konstanz zeigt, dass sich unter dem Boden in den Betriebsgebäuden beim Tunnel ...
Felix Quarch vom Straßenbauamt des Landratsamtes Konstanz zeigt, dass sich unter dem Boden in den Betriebsgebäuden beim Tunnel Waldsiedlung viel Technik versteckt. | Bild: Kerstin Steinert

Neben den Steuerräumen und den verkabelten doppelten Böden gibt es auch einen Lagerraum mit einer kleinen Werkstatt. „Es ist gut, wenn wir kleinere Ersatzteile vorrätig haben“, sagt Felix Quarch und greift in das Regal im Lagerraum. In seiner Hand befindet sich ein flacher weißer Gegenstand. „Das hier zum Beispiel“, sagt er und hält es hoch. Es ist ein kleines Lichtchen, das man auf dem Boden montiert, sodass die Bordsteinkante im Tunnel immer erstrahlt.

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Hinter den Türen im Betriebsgebäude West verstecken sich viele technische Details. „Im Betriebsgebäude Ost gibt es das ganze nochmal in klein. Falls das Betriebsgebäude West aus irgendeinen Grund nicht funktioniert, kann man alles auch im Ost-Gebäude steuern“, sagt Felix Quarch.

Im Betriebsgebäude Ost gibt es ein kleines Pumpwerk und eine Wasseraufbereitungsanlage für Löschwasser.
Im Betriebsgebäude Ost gibt es ein kleines Pumpwerk und eine Wasseraufbereitungsanlage für Löschwasser. | Bild: Kerstin Steinert

Aber das östliche, viel kleinere Betriebsgebäude beherbergt einen Raum, den es im Westgebäude nicht gibt: einen Raum mit einer Pump- und Wasseraufbereitungsanlage. „Der Raum ist für die Feuerwehr. Hier kommt das Löschwasser her“, sagt Quarch. Neben den Röhren des Tunnels Waldsiedlung befindet sich also eine eigene Welt – aber nicht das Auenland.