Überlingen – Es las mit geschulter Pfarrerstimme der Theologe und Autor Thomas Weiß aus seinem im Vorjahr erschienenen Werk „Theuerste Freundin. Frauen um Johann Peter Hebel“, und kongenial weckte die Pianistin Stefanie Jürgens in den Lesepausen illustrative musikalische Assoziationen dazu.

Hebel, geboren 1760 in Basel und im badischen Wiesental aufgewachsen, gilt als Pionier der alemannischen Mundartliteratur. Dass er obendrein ein sprachmächtiger Erzähler war, ließ Thomas Weiß in den von ihm ausgewählten Prosapassagen lebendig werden. Darin ging es also um Hebels Frauengeschichten, die den zeitlebens Unverheirateten überwiegend mit Verlust und Fremdheit begleiteten.

Da ist zunächst die Mutter, zweifellos eine starke Frau, deren Tod den Dreizehnjährigen, nachdem der Vater schon Jahre zuvor gestorben war, elternlos zurückließ. Diese Erfahrung mag bewirkt haben, dass Hebel sich nie wieder auf enge Liebesbeziehungen einlassen konnte. Überwogen in diesem Text Töne von Melancholie und Schmerz, so zeigt sich Hebel in einer anderen Geschichte als humorvoller und selbstironischer Beobachter. Das Erzähler-Ich beschreibt, wie auf einer Kutschfahrt eine junge Frau zusteigt und ihrem plärrenden Kind die blanke Brust darreicht; in damaliger Zeit ein recht unziemlicher Vorgang, dem beizuwohnen den Zeugen zwischen Schamgefühl und Neugier hin- und hertreibt.

Johann Peter Hebels Erzählungen sind oft autofiktionaler Art: Auf der Folie biografisch verbürgter Wirklichkeit lässt der Autor den Einfällen der Fantasie breiten Raum. Und immer ist eine Ebene lebenskluger Reflexion über das Menschliche und oft auch Allzumenschliche eingeflochten. Hebels Texte, so Weiß, seien „Lehrbücher der Humanität“, aktuell gerade in Zeiten, in denen Krisen und Kriege die Menschlichkeit vergessen zu machen drohen. In der Reihe „Die Unbeugsamen – Starke Frauen in Religion und Gesellschaft“ folgt am Mittwoch, 10. April als nächstes ein Salonabend zu starken Überlinger Frauen.