Einer fehlt. Maximilian Krah sollte am Samstag eigentlich die Hauptperson sein beim bundesweiten EU-Wahlkampf-Auftakt der AfD in Donaueschingen. Doch der Spitzenkandidat, der wegen möglicher Verbindungen zu China und zu prorussischen Netzwerken Schlagzeilen macht, hat abgesagt.

Kein „Krah, Krah, Krah“

Krah verzichte auf den Auftritt in Donaueschingen, „um den Wahlkampf sowie das Ansehen in der Partei nicht zu belasten“, wie die Partei nach einem Krisentreffen mit den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla am Mittwoch mitteilte.

Wahlplakate mit seinem Konterfei sucht man vergeblich, auch im Wahlwerbespot, der in den Donauhallen ausgestrahlt wird, kommt er nicht vor. Alice Weidel erwähnt ihn in ihrer Rede kein einziges Mal namentlich. Tino Chrupalla hingegen dankt Krah, dass er auf den Auftritt verzichtet hat. Es solle nicht nur um „Krah, Krah, Krah“ gehen, sondern ums Programm, zitiert ihn Chrupalla.

Der Abwesende ist in den Gesprächen präsent

Ein Thema ist der Abwesende trotzdem. Alle Journalisten, Fernsehen und die überregionale Presse sind zahlreich vertreten, sprechen die Interessierten und AfD-Mitglieder, die gekommen sind, darauf an. Wie kommt der Verdacht gegen Krah bei den Anhängern an? Zweifeln sie an dem Mann, der, wenn der Verdacht stimmt, zutiefst gegen die patriotischen Überzeugungen gehandelt haben muss, für die die AfD eigentlich stehen will?

Offenbar sehen das nur die Demonstranten so, die ab 13 Uhr vor den Donauhallen demonstrieren. „Alternative für Diktatoren“ steht auf einer großen Leinwand. Darunter prangt das Konterfei von Maximilian Krah, in der Hand hält er eine russische und eine chinesische Fahne.

Gegner der Partei AfD demonstrieren mit Plakaten vor den Donauhallen, wo die AfD mit einer Versammlung in den Wahlkampf für die ...
Gegner der Partei AfD demonstrieren mit Plakaten vor den Donauhallen, wo die AfD mit einer Versammlung in den Wahlkampf für die Europawahl startet. | Bild: Bernd Weißbrod, dpa

Was wusste Krah von den Aktivitäten seines Mitarbeiters?

Im Innern der Donauhallen werden solche Zweifel nicht geäußert. Keiner der vom SÜDKURIER Befragten ist der Ansicht, dass Krah etwas falsch gemacht hat. „Krah hat das nicht gewusst“, ist Ursula Wesch, Rentnerin aus Bietingen, überzeugt. Krahs Mitarbeiter im Europaparlament, Jian Guo, soll Informationen aus dem Parlament an China weitergegeben haben und außerdem chinesische Dissidenten in Deutschland ausgespäht. Der Generalbundesanwalt wirft ihm Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall vor. Er wurde festgenommen.

Ob nicht davon auszugehen ist, dass Krah das Treiben seines langjährigen Mitarbeiters bewusst war? Das wäre ja so, als ob man als Chef für alle Mitarbeiter haften müsste, führen zwei junge Männer an, die sich nicht namentlich zitieren lassen wollen.

Immer wieder hört man: „Der war doch beim Verfassungsschutz.“ Sprich: Eigentlich hat der deutsche Geheimdienst seine Finger im Spiel. Tatsächlich hat Guo laut ARD-Recherchen vor einigen Jahren versucht, beim Bundesnachrichtendienst anzuheuern, und auch beim sächsischen Verfassungsschutz wurde er vorstellig. Beide Male kam er demnach nicht zum Zuge, weil man den Deutsch-Chinesen für unzuverlässig hielt.

Weder in Person, noch auf Plakaten präsent – ein Demonstrant mit Maske sorgt dafür, dass das Gesicht von AfD-Spitzenkandidat Maximilian ...
Weder in Person, noch auf Plakaten präsent – ein Demonstrant mit Maske sorgt dafür, dass das Gesicht von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah dennoch zu sehen ist. | Bild: Silas Stein, AFP

Dass Krah vom Verfassungsschutz nicht vor seinem Mitarbeiter gewarnt worden sei, wird von mehreren Gesprächspartnern kritisiert. Andere, wie AfD-Mitglied Bernhard Graf aus Stuttgart, schenken den Medienberichten wenig Glauben. „Die lügen ja, dass sich die Balken biegen.“ Sein Tischnachbar aus Böblingen, er will nicht genannt werden, hält die Anschuldigungen für frei erfunden. „Das wird sich herausstellen, wenn die Wahl vorbei ist.“

Hinter vorgehaltener Hand ist hier und da zu hören, dass man es besser gefunden hätte, wenn Krah aufgetreten wäre. „So ist das nur ein gefundenes Fressen für die anderen Parteien und manche Medien“, meint ein 22-Jähriger aus Bad Dürrheim. Ein baden-württembergischer Mandatsträger befürchtet, dass das Fehlen Krahs wie ein Schuldeingeständnis wirken könnte. „Ich hätte darauf gedrängt, dass er auftritt“, sagt er.

Die Partei soll „zersetzt werden“, findet Chrupalla

Der Tenor in der Donauhalle, beim Publikum wie bei den Rednern, lautet: Alles nur eine Schmutzkampagne, die gegen die AfD gerichtet ist und deren Wahlerfolg verhindern soll. „Es ist mittlerweile abenteuerlich, mit welchen Mitteln unsere Partei zersetzt werden soll, wie man unsere Partei beschädigen will, wie man Unruhe stiften will und Misstrauen“, sagt Chrupalla. Er sagt aber auch: „Wer nachweislich käuflich ist, der muss gehen – aber es muss bewiesen werden.“

Lauterbach wird nachgeäfft

Um Europa geht es zunächst nur wenig. Alice Weidel, die schon mit stehenden Ovationen empfangen wird, arbeitet sich vorwiegend an der Bundespolitik ab. „Schauen Sie sich diese Leute an“, ruft sie in den Saal und äfft Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach. Außenministerin Annalena Baerbock, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Wirtschaftsminister Robert Habeck (alle Grüne), Kanzler Olaf Scholz (SPD) – alles „geballte Inkompetenz und Unverantwortlichkeit“ so Weidel, die in der diesmal nicht restlos gefüllten Halle sehr viel Zustimmung erntet.

Parteichefin Alice Weidel winkt dem Publikum in den Donauhallen zu.
Parteichefin Alice Weidel winkt dem Publikum in den Donauhallen zu. | Bild: Silas Stein, AFP

Die AfD will „diese EU“ nicht mehr

Chrupalla erklärt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) wegen des von ihr angeschafften Impfdosen-Überschusses zur „gefährlichsten Politikerin Europas“. Er will die Zahl der EU-Beamten um die Hälfte eindampfen. „Ich verspreche Ihnen: Sie werden davon nichts merken.“ Die AfD sei keinesfalls Europa-feindlich. Sie wollten aber diese EU nicht mehr.

Diese EU – damit meint Chrupalla zum Beispiel nicht eingehaltene Dublin-Verträge, die regeln, welcher Mitgliedstaat für ein Asylverfahren zuständig sein soll, oder gebrochene Maastricht-Kriterien, die Schuldengrenzen festlegen. Beides interessiere überhaupt niemanden mehr. Chrupallas Fazit: „Wenn man diese Verträge nicht einhalten kann, muss man die EU reformieren oder austreten.“

Kein „Dexit“, oder vielleicht doch?

Was also will die AfD für Europa? Der „Dexit“, der Ausstieg Deutschlands aus der EU nach britischem Vorbild, schaffte es nicht ins Europawahlprogramm der Alternative für Deutschland. Darin steht zwar explizit, dass man nicht an die Reformierbarkeit der EU glaubt: „Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt.“

Das bedeutet nicht, dass man gar keine europäische Zusammenarbeit mehr möchte, allerdings eine radikal reduzierte. Man möchte stattdessen einen „Bund europäischer Nationen“, bei dem die Souveränität der Mitgliedsstaaten gewahrt bleibe und der sich vor allem als Wirtschaftsgemeinschaft begreifen soll. Dabei müssten allerdings auch die anderen Staaten mitmachen.

Klimaschutz? Ein „Nonsens-Begriff“

Zum Abschluss redet Marc Jongen, baden-württembergischer Kandidat fürs Europaparlament (Listenplatz sechs), derzeit kulturpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Die für ihn zentrale politische Botschaft lautet: „Wir sind nicht nur die Alternative für Deutschland, sondern auch die Alternative für Europa.“ Man sei fundamental anderer Meinung in zentralen Politikfeldern, führt er aus.

Marc Jongen, Kandidat der AfD für die Europawahl, spricht in der Donauhalle.
Marc Jongen, Kandidat der AfD für die Europawahl, spricht in der Donauhalle. | Bild: Bernd Weißbrod, dpa

Klimaneutralität ist für ihn ein politischer Nonsens-Begriff, weil Europa nur neun Prozent des globalen CO2-Ausstoßes beeinflussen könne. Das Klima sei nur vorgeschoben, weil die Klimaindustrie gewaltige Profite mache und mit „Maßnahmen der Gängelung“ die Bürger kontrolliert werden sollten.

Otmar Hauser, der aus Sasbach im Ortenaukreis auf die Baar gekommen ist, ist mit den Reden des Spitzenpersonals einverstanden. Er glaubt, dass die EU dringend reformbedürftig ist. In den 1980er-Jahren sei er mit deren Ausgestaltung noch zufrieden gewesen, heute findet er: „Das ist aus dem Ruder gelaufen. Das ist eine zentrale Verwaltung, die uns Vorschriften macht.“ Er glaubt auch daran, dass man zahlreiche andere Staaten davon überzeugen könnte. „Den Rechtsruck gibt es doch fast überall.“